Unserer Gesellschaft fehlt Lernkultur
- eine Kultur des Lernens, das bereichert
Lernen ist Beschäftigung mit Neuem, Unbekanntem, Interessantem. Lernen ist Bereicherung, ist Wachsen an Fähigkeiten. Lernen ist etwas dem Menschen von Natur aus Eigenes, wie die Liebe zum Schönen und zur Kultur es ist.
Moderne Medien erfüllen offenbar die Aufgabe, die Aufmerksamkeit der Menschen an Böses (Katastrophen, Skandale, Terror, Mord, Betrug, Korruption usw.) zu binden. So etwas grenzt den Horizont so stark ein, dass die Menschen sich mit allem abfinden und es als unabänderlich hinnehmen.
Lernen weitet den Horizont und macht fähig, die Dinge zum Besseren zu wenden. Es scheint, dass die "Medienkultur" das Gegenteil von "Lernkultur" ist.
Soll Medienkultur die Lernkultur bestimmen oder umgekehrt?
Lernkultur ist Liebe zum Menschen, ist praktizierter Humanismus. Lernkultur fördert den einzelnen Menschen in seiner Bewusstheit, in seiner Beziehung zum Leben und zur Welt.
Der Mensch sehnt sich von Natur aus nach Lernkultur - nach einer Kultur des Besser-Werdens, der Zunahme an Fähigkeiten. Lernkultur entsteht nur, weil der Mensch in sich mehr und bessere, in die Wiege gelegte Anlagen trägt, als er je entfalten könnte.
Diese Anlagen sind die Quelle, aus der Kultur überhaupt entsteht. Wahre Lernkultur besiegt die Finsternis und bildet neues Bewusstsein:
Die Dinge der Welt sind wie sind; die Menschen sind wie sie sind - Lernkultur will beide nicht verändern. Das, was zwischen den Dingen der Welt (die wir lernen wollen) und dem Menschen (der die Dinge der Welt kennen lernen will) geschieht, kann beliebig verändert werden.
Das, wie der Mensch an die Dinge herangeht, lässt sich endlos verändern! Wieso sollte es nicht gute und weniger gute Methoden geben? Lernkultur sucht und lehrt die besten Möglichkeiten - sie können so vielfältig sein wie die Menschen es sind.
Es kann kein "schwieriges Lernfach" geben, außer es wurde schwierig gemacht. Grenzt es nicht an Idiotie, wenn z.B. Latein als "schwierige Sprache" dargestellt wird, obwohl Abermillionen von Kleinkindern sie mühelos ohne jeden "systematischen Unterricht" erlernt haben?
Lernen an sich kann nicht "schwer" und mühselig sein; wohl aber kann lehren sehr mühsam werden. Lernen ist vor allem dann mühsam, wenn es auf der Meinung ruht, dass die Dinge wesentlich seien, nicht das Lernen von den Dingen.
Dann liegt alle Aufmerksamkeit auf der Schilderung der Dinge und ihrer Wiedergabe und keine Aufmerksamkeit auf dem Zugang zu den Dingen.
Lernen wird erst schwierig, wenn die Mühsal des Lehrens - die ihre Ursache ausschließlich in ungeeigneter Vorgehensweise hat, - nicht überwunden und auf den Lernenden abgewälzt wird. Lernen wird also erst schwierig, wenn zwischen den Dingen (die wir lernen wollen) und uns, die wir lernen wollen, ein Mittler - mit seiner Persönlichkeit, seinem Verständnis der Dinge und vor allem mit seinem Umgang mit der Sprache und dem Nächsten - versagt.
Wenn aber das Lernen schwierig gestaltet werden kann, dann muss es doch auch möglich sein, es leicht und erfreulich zu gestalten!
Hört man nicht den Einwand der Autoritäten, dass "Lehrjahre keine Herrenjahre" seien? Dass es "ohne Schweiß keinen Preis" gäbe? Dass die Jugend "erst einmal gehorchen lernen" müsse?
Welch ein Gedankengebäude! Für solche Autoritäten ist die Entdeckung, etwas nicht zu wissen, eine Schande. In der Lernkultur ist es Anlass und Ansporn, es zu lernen.
Lügen sind nie vollkommene Unwahrheit; das Wesen der Lüge liegt darin, etwas Wahres so zu verändern, dass es als etwas anderes erscheint und die Wahrheit nicht mehr erkenntlich ist.
Sieht man hier nicht die Arbeit modernen Medien? Ist es nicht ihr "Gesetz", die Tatsachen so darzustellen, dass sie in die Linie des Mediums passen? Hat nicht der Volksmund die Redensart, jemand "lügt wie gedruckt" auf dieser Grundlage geprägt?
Soll das unsere Kultur sein? Zum Teufel damit!
Kultur ist "das, was uns so lieb und wert ist, dass wir es pflegen"; Lernkultur wächst aus dem menschlichen Streben nach Wahrheit. Wer wollte von sich behaupten, nicht danach zu streben? Wer könnte etwas dagegen haben? Wer könnte die Wahrheit fürchten?
Lernkultur sucht nach Wegen, die Wahrheit jedem Suchenden zugänglich zu machen. Lernkultur öffnet diese Wege für jeden; Lernkultur schützt und bewahrt diese Wege für die Nachkommenden. Wer könnte Interesse haben, solche Wege zu verbergen oder zu versperren?
Es wird offenbar: Wer Lernkultur bekämpft, hat etwas zu verbergen; der hat Angst und fürchtet, aufgedeckt zu werden.
Lernkultur ist Kultur der Wissenschaft, denn "lernen" heißt nichts weniger als "gescheiter werden". Gescheiter wird der, der genauer hinschaut, der sich dem stellt, was ist, statt zu behaupten, Wahrheit sei das, was in seiner Vorstellung existiert.
Erst dann wird, zum Beispiel Geschichte, nur eine Sammlung von Daten, die man "lernt", statt eine Vergangenheit zu sein, aus der man eine Lehre zieht und lernt.
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